Neu-Ulm, 21. Mai 2019
Kunststoff. Seit 1950 hält er in unterschiedlichster Form Einzug auf dem Weltmarkt. Zu Beginn waren es lediglich 1,5 Tonnen pro Jahr, heute sind es mehr als 300 Millionen Tonnen Kunststoff, welche jedes Jahr verarbeitet und verbreitet werden – allein 25 Millionen Tonnen davon werden in Deutschland produziert.[1] Das Material, welches viele Bereiche im Alltag bestimmt und durch Verpackungen und Verschalungen die Produktionen von unzähligen Produkten revolutioniert hat, hat jedoch auch seine Schattenseiten. 4,8 bis 12,7 Tonnen des Materials landen jedes Jahr als Plastikabfall im Meer – Tendenz steigend. Seit 1950 haben sich Hochrechnungen zu Folge 86-150 Tonnen Plastikmüll angesammelt, wodurch jedes Jahr mehr als eine Millionen Seevögel und über 100.000 Meereslebewesen verenden.[2] Besonders betroffen davon sind Meeresschildkröten, da alle Arten von ihnen in der Lage sind, Plastikmüll fressen zu können. Neben den großen sichtbaren Plastikmüllteilen wie Plastiktüten, Einwegverpackungen und Netzen setzt vor allem das Mikroplastik Tieren zu. So stellte die Universität Oldenburg in einer kürzlich erschienenen Studie fest, dass in allen untersuchten Kotproben von Seehunden und Kegelrobben im niedersächsischen Wattenmeer Mikroplastik nachgewiesen werden konnte.[3] Doch nicht nur im Meer, auch in Binnengewässern und Böden wird immer häufiger Mikroplastik nachgewiesen. Dieses resultiert durch Reifenabrieb von Autos und vor allem durch künstlich zugesetzte Mikropartikel in Kosmetika, Waschmittel, Farben und Lacken. Durch Spülvorgänge, Abwässer und vor allem die Verwendung von Klärschlamm zur Düngung der Felder, gelangen mehr und mehr der Kleinstteile in die Umwelt. Dort angekommen, können diese Teile nicht bzw. nur schwer und sehr langsam abgebaut oder abgetragen werden. Von den Feldern wie aus den Meeren gelangt das Mikroplastik in die Lebensmittelkette des Menschen durch den Konsum von Fleisch, Fisch und Gemüse. Die gesundheitlichen Folgen? Unbekannt. Fest steht lediglich, dass bislang nicht absehbar ist, wie Mikroplastik die menschliche Gesundheit beeinflusst.
Die EU plant basierend auf Forschungsergebnissen der European Chemical Agency (ECHA) aus Gründen der Vorsorge und Risikominimierung hierzu ein Gesetz, welches ab 2022 den Einsatz von Mikroplastik in Produkten besser regulieren soll.[4] Hierdurch wird jedoch nur die Menge der zugesetzten Partikel der Größenordnung von einem Durchmesser von ≤ 5 mm bzw. einer Länge von ≤ 15 mm beschränkt. Ein Verbot des Einsatzes erfolgt nicht.[5]
Gleichzeitig befassen sich auch mehr und mehr Menschen bewusster mit dem Thema Plastik und Kunststoffe. Das zeigen auch neuste Ergebnisse des Handelsverband Deutschland (HDE), welche vergangenen Freitag veröffentlicht wurden. 24 Plastiktüten wurden im vergangenen Jahr pro Einwohner vom Einzelhandel ausgegeben, was einen Rückgang von 20 Prozent gegenüber 2017 bedeutet. Bei leichten Plastiktüten (bspw. Obsttüten) liegt der Verbrauch bei der Hälfte der EU-Vorgabe für 2025, auch hierbei verzichten immer mehr Menschen auf die Einwegtüten.[6] Supermärkte wie REWE habe die Plastiktüte beispielsweise komplett aus ihrem Sortiment verbannt und durch biologisch abbaubare Papiertüten ersetzt. Andere Supermärkte verlangen auf Basis der im Jahre 2016 in Kraft getretenen freiwilligen Selbstverpflichtung des Handels eine Gebühr auf jede Tüte.
Beim Blick über den Tellerrand sieht es in der EU jedoch sehr unterschiedlich aus. Vorreiter sind Italien und die Niederlande, bei denen Plastiktüten ausschließlich nur noch gegen ein Entgelt herausgegeben werden dürfen. Spanien, Frankreich, Polen, Kroatien, Finnland und Norwegen reglementieren dies bislang überhaupt nicht und geben Plastiktüten gratis an Kunden und Konsumenten. Alle weiteren Länder der EU bestimmen selbst, ob Sie Tüten kostenfrei herausgeben oder ein Entgelt dafür verlangen (freiwillige Selbstverpflichtung).[7]
Sind Kunststoffe also generell schlecht? Nein! Kunststoffe ermöglichen den Schutz von Lebensmitteln und Medizinprodukten. Ohne Schutzfolien, wären diese Produkt häufig kürzer haltbar oder nicht keimresistent. Richtig eingesetzt ermöglichen Folien und Kunststoffverpackungen die Erweiterung der Haltbarkeit und Langlebigkeit von bestimmten Produkten.[8] Entscheidend bei der Verwendung ist vor allem die fachgerechte Entsorgung. Die Firma Frosch (Werner und Mertz) setzt sich beispielsweise dafür ein, dass Müll aus gelben Säcken tatsächlich wiederverwertet und nicht thermisch verwertet (Müllverbrennung) wird. Das Ziel gemäß Cradle to Cradle lautet: „Aus einer Frosch-Flasche soll auch wieder eine Frosch-Flasche werden!“[9] Die bislang primär aus alten PET-Flaschen gefertigten Flaschen, werden zu immer größeren Teilen aus Verpackungs-PET aus dem gelben Sack gewonnen. Ziel von Werner und Mertz ist es, in der Produktion von Plastikverpackungen komplett auf Rohöl verzichten zu können. Der Anteil an Verpackungs-PET in einer Froschflasche beträgt aktuell bereits 20 Prozent.[10]
Kunststoffe haben unser Leben in vieler Hinsicht erleichtert, der Umgang damit jedoch auch einen erheblichen Eingriff in die Natur verursacht, deren Folgen noch nicht vollständig absehbar sind. Jeder Mensch kann aktiv werden, durch die Verwendung von Stofftragetaschen, die Nutzung von Mehrfachverpackungen, den Verzicht von Plastiktüten, Einwegverpackungen und Mikroplastik oder durch die fachgerechte Entsorgung von Kunststoffen. Somit kann Kunststoff seiner eigentlich hervorragenden Eigenschaften wieder gerecht werden und zum Wohle von Mensch, Tier und Umwelt eingesetzt werden.
[1] Vgl. Umwelt Bundesamt (2019): EU plant Beschränkung der Verwendung von Mikroplastik ab 2022, URL: https://www.umweltbundesamt.de/eu-plant-beschraenkung-der-verwendung-von#textpart-1 (aufgerufen am 21.05.2019).
[2] Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung (2017): Dossier Plastikmüll im Meer – Zahlen und Fakten, S. 2.
[3] Vgl. Umwelt Bundesamt (2015): Müll im Meer, URL: https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/gewaesser/meere/nutzung-belastungen/muell-im-meer (aufgerufen am 21.05.2019).
[4] Vgl. ECHA (2019): the problem with microplastics, URL: https://chemicalsinourlife.echa.europa.eu/ (aufgerufen am 21.05.2019).
[5] Vgl. Umwelt Bundesamt (2019): EU plant Beschränkung der Verwendung von Mikroplastik ab 2022, URL: https://www.umweltbundesamt.de/eu-plant-beschraenkung-der-verwendung-von#textpart-1 (aufgerufen am 21.05.2019).
[6] Vgl. Handelsverband Deutschland – HDE e.V. (2019): Verbrauch an Plastiktüten sinkt erneut, URL: https://einzelhandel.de/presse/aktuellemeldungen/12163-verbrauch-an-plastiktueten-sinkt-erneut (aufgerufen am 17.05.2019).
[7] Vgl. Europäisches Verbraucherzentrum Deutschland (2018): Plastiktüten in der EU, URL: https://www.evz.de/de/verbraucherthemen/einkaufen/einkaufen-im-laden/plastiktueten-in-der-eu/ (aufgerufen am 20.05.2019).
[8] Vgl. Südpack Verpackungen GmbH + Co. KG (2019): URL: https://www.suedpack.com/nachhaltigkeit/ (aufgerufen am 20.05.2019).
[9] Werner und Mertz (2019): Die Recyclat-Initiative von Frosch. Der perfekte Kreislauf, https://ganzheitlich-nachhaltig.de/intelligente-Verpackung/Recyclat-Initiative-fuer-PET/ (aufgerufen am 20.05.2019).
[10] Vgl. ebenda.