Neu-Ulm, 26. November 2020
Das Coronavirus bestimmt nicht nur unseren Alltag und unser Privatleben, sondern auch unser Berufsleben sowie unsere Umwelt. Im ersten Lockdown des Jahres 2020 waren die Straßen leer, die Luft rein und immer wieder begegnet man Bildern im Internet, auf denen eigentlich belebte Plätze wie ausgestorben wirken und sich die Natur ein Stück weit ihren Lebensraum zurückerobert. Ob es Delphine in den Gassen Venedigs sind oder Gras zwischen den Kalksteinpflastern auf den Straßen Dubrovniks, je mehr die Menschheit zum Stillstand kommt, umso stärker blüht die Natur auf. Wenn man gegenwärtig spazieren geht und auf den blauen Himmel schaut, sieht man so wenig Flugzeugkondensstreifen wie lange nicht mehr. Die Natur atmet auf. Doch wie stark gehen CO2-Emissionen zurück, wenn die Welt stillsteht? Und ist das eine Momentaufnahme, oder können wir aus der Zeit Impulse für die Zukunft mitnehmen?
Erste Studienergebnisse eines internationalen Klimaforschungsteams belegen, dass die CO2-Emissionen im ersten Halbjahr auf beispiellose Art und Weise zurückgegangen sind. Allein im Monat April, in dem sich die meisten Länder der Welt in einem ersten Lockdown befunden oder das öffentliche Leben zumindest stark eingeschränkt haben, sanken die Emissionen weltweit um 16,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr 2019 – das entspricht einer Menge von 1.551 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Über die Plattform https://carbonmonitor.org/ können Interessierte ablesen, wie sich die Emissionen im Direktvergleich zum Vorjahr in unterschiedlichen Zeitperioden entwickelt haben. Deutschland liegt bis Ende Oktober 2020 10,5 Prozent unter den Werten der gleichen Zeitspanne in 2019. Das Klimaziel von 2020 scheint also so nah wie nie. Doch was sind diese Zahlen wert, in einem Jahr, in dem das öffentliche Leben für fast vier Monate weitgehend heruntergefahren wird?
Hans Joachim Schellnhuber, ehemaliger Direktor des Potsdamer-Instituts für Klimaforschung (PIK) bringt es auf den Punkt: „Niemand kann sich über einen positiven Klimaeffekt freuen, denn der dafür zu zahlende Preis ist unglaublich hoch – wegen der einbrechenden Wirtschaftsleistung, der persönlichen und sozialen Kosten und vor allem wegen des menschlichen Leids, das die Pandemie verursacht. Teurer könnte die Vermeidung zusätzlicher Tonnen von CO2 gar nicht sein.“
Ein grundlegendes Problem der Coronapandemie ist zudem, dass sie alle anderen Themen überstrahlt und das Thema Klimaschutz auf der politischen aber auch auf vielen wirtschaftlichen Agenden ins Hintertreffen gerät. Während vor Corona eine Befragung unter CEOs (CEO Outlook) von KPMG Deutschland noch den Klimawandel mit 22 Prozent als größtes Problem Deutschlands hervorbrachte, verschoben sich die Verhältnisse sechs Monate und eine Pandemie später in Richtung Mitarbeitergewinnung und –bindung, sichere Lieferkette und erst auf dem dritten Rang folgte mit 12 Prozent der Klimaschutz. Durch die sich ständig ändernden politischen Vorgaben entstehen zudem Unsicherheiten und in vielen Branchen und Bereichen auch finanzielle Engpässe. Und was macht die Politik? Große Verhandlungstermine zum Pariser Klimaabkommen wurden aufgrund der Pandemie abgesagt, auf nationaler Ebene dreht sich zurzeit nur wenig um Klimaschutz, Organisationen wie Fridays for Future haben ihr Druckmittel, den Protest auf der Straße, pandemiebedingt eingestellt. Ein Lichtblick bietet zumindest der Blick nach Amerika, welche nach dem kürzlichen Austritt (04. November) aus dem Klimaschutzabkommen durch Donald Trump mit der Wahl von Joe Biden diesem wieder beitreten wollen.
Quellen:
https://www.nature.com/articles/s41467-020-18922-7
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/us-wahlen-biden-klimaabkommen-paris-100.html
https://blog.wwf.de/klimaschutz-corona/
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