Paris / Neu-Ulm, 11. Juli 2019
Die zunehmende Digitalisierung in allen Bereichen der Gesellschaft beeinflusst unser tägliches Leben zunehmend. Ob beim komfortablen Reisen mit Online-Tickets, dem mobilen Büro auf dem Smartphone mit Zugriff auf E-Mails und Kontakte wann und wo auch immer man ist oder der Teilnahme an einer Konferenz durch virtuelle Welten, Videokonferenzen oder dem Streaming von Beiträgen. Durch die immer stärker zunehmende Abdeckung von mobilen Daten und drahtlosen Verbindungen ist es fast überall möglich, die Vielfalt der digitalen Angebote zu nutzen.
Vordergründig sieht es so aus, als wäre dies für alle Seiten von Vorteil. Zugtickets müssen nicht mehr gedruckt werden, die E-Mail hat längst das analoge Postfach abgelöst und Konferenzwege können dank digitalen Lösungen einfach ausgelassen werden. Der CO2-Ausstoß wird verringert und jede Menge Energie eingespart.
Nur wenige machen sich allerdings Gedanken darüber, welchen Fußabdruck der Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) hinterlässt. Das französische Think Tank The Shift Project hat in einer im März 2019 veröffentlichten Studie vorgestellt, wie es um den ICT Sektor bestellt ist.
Die ICT-Branche verursacht allein durch den Umrüstungs- und Wandlungsprozess zu einer digitalen Gesellschaft jährlich 9 Prozent des gesamten Cos-Fußbadruckes der Branche. Tendenz steigend. Ein elementarer Bestandteil davon sind Streamingdienste. Vor allem der private Sektor verursacht durch Video-on-demand Angebote wie Netflix, Amazon prime, apple TV+ und Andere enorme Energiekosten. Die Köpfe hinter The Shift Project haben errechnet, dass allein 30 Minuten Streaming bereits 1,6 kg CO2 Ausstoß entsprechen. Wer also an jedem Abend im Jahr einen zweistündigen Film streamt, kommt so schnell auf 2,3 Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr. Bei einem durchschnittlichen pro Kopf Ausstoß von 11,6 Tonnen pro Jahr (Umweltbundesamt, 2017), ist dies ein nicht unerheblicher Teil. Und die Entwicklungen befördern diesen Prozess zunehmend.
Streamingangebote verursachten im Jahr 2017 demnach genauso viele Treibhausgase wie das Land Spanien in seiner Gesamtheit. Durch immer größere Displays und Bildschirmauflösungen müssen auch Videodateien in einer immer höheren Auflösung bereitgestellt werden. Dies wiederum verursacht größere Dateien und damit verbunden einen erhöhten Energieaufwand, um diese zu streamen.
Um den Anforderungen der Konsumenten gerecht zu werden stellen auch die Streamingdienste immer größere Server bereit. Laut Experten der französischen Forschungseinrichtung INRIA geschieht dies jedoch zumeist „auf allen Ebenen überdimensioniert“, so Laurent Lefèvre. Die Folgen davon sind, dass weit mehr Energie abgerufen wird, als nötig.
Mögliche Wege hierbei entgegen zu wirken bestehen laut der Experten an zwei Punkten. Auf der einen Seite können Konsumenten Druck auf die Anbieter ausüben, damit diese ihre Anlagen mit grüner Energie betreiben. Dass dies nicht unmöglich ist zeigen Unternehmen wie google, welche bereits seit 2017 ihren Energiebedarf vollständig mit erneuerbaren Energien abdecken. Eine weitere Möglichkeit ist das eigene Nutzungsverhalten zu überdenken und anzupassen. Vor allem das streamen auf mobilen Endgeräten über mobile Daten verursacht mit Abstand den meisten Energieaufwand.
Das eigene Verhalten zu verändern und ein Bewusstsein für die eigene Verantwortung in Bezug auf den CO2-Ausstoß zu erzielen, wird in dieser Hinsicht die vermutlich größte Herausforderung bleiben.
Quellen:
- https://www.umweltbundesamt.de/klimaneutral-leben-persoenliche-co2-bilanz-im-blick
- https://theshiftproject.org/wp-content/uploads/2019/03/Lean-ICT-Report_The-Shift-Project_2019.pdf
- https://www.erneuerbareenergien.de/archiv/google-bezieht-100-prozent-strom-aus-erneuerbaren-energien-150-437-99570.html