Neu-Ulm/Stuttgart – 19. Juni 2019
Als Unternehmen hat man es selbst in der Hand wie man wahrgenommen wird – zumindest teilweise. Das Unternehmen kann sich positionieren, kann Dinge einführen, aus dem Markt nehmen und verändern. All diese Prozesse können über die unternehmenseigenen Kanäle kommuniziert werden (owned media) oder durch bezahlte Werbung und Kommunikation (paid media) weitergereicht und unterstützt werden. Was jedoch nur bedingt in den Händen der Unternehmen liegt, ist das Thema earned media – also Kommunikation, die außerhalb des direkten Einflussbereichs eines Unternehmens liegt. Was in Foren, auf Instagram, Snapchat, Facebook und in anderen Sozialen Netzwerken passiert, bestimmen primär die Endnutzer selbst. Ob ein Foto mit entsprechenden Hashtags oder eine direkte Verlinkung oder Reaktion auf ein Unternehmen. All das beeinflusst die öffentliche Wahrnehmung eines Unternehmens mit und erzeugt Kommunikationsanlässe. Nicht selten endet dies in negativer Kommunikation und Reaktion von Seiten der Unternehmen, welche sich angegriffen fühlen und dadurch nicht angemessen reagieren. Im schlimmsten Fall entstehen somit ‚Shitstorms‘, wie beispielsweise bei Nestle (2010) oder Pril (2011), welche durch Fehlverhalten und versuchte Zensierung im Dialog mit Stakeholdergruppen auffielen.
Aber wie kann ein Unternehmen erkennen was im Internet passiert und auf Nutzer reagieren, bevor sich die Kommunikation verselbstständigt? Und wie kann ein Unternehmen sogar Internettrends nutzen und die eigene Marke entsprechend positionieren?
An die Lagerfeuer setzen, an denen über einen gesprochen wird
Ein Weg zu erfahren welche Themen im Internet besprochen werden und auch wie man als Unternehmen selbst wahrgenommen wird, ist das Thema Social Listening. Social Listening ermöglicht, offene Beiträge nach Kriterien zu durchsuchen und somit zu erfahren, über was im Netz gesprochen wird. Zumeist geschieht das über vorher festgelegte Worte oder Suchstrings, welche automatisiert in Analysportalen nach Erwähnungen suchen. Die Ergebnisse werden zumeist manuell nachsortiert und bewertet, da trotz vorhandener künstlicher Intelligenz vor allem Tonalität und Emotionen nach wie vor schwer zu erkennen und maschinell auszulesen sind. Der Markt bietet neben kostenfreien Tools wie Twazzup oder Hootsuite eine Reihe an kommerziellen Tools an, welche ihren Fokus auf unterschiedliche Bereiche legen. Dies geht von der Reichweitenmessung von posts, über Hashtaganalysen bis hin zum „mithören“ in der Nutzergemeinde – dem social listening.
Verpackungsmüll – Die Veränderung im Verbraucherverhalten und deren digitale Kommunikation beeinflusst Unternehmen im stationären Handel und die Wahrnehmung von Unternehmen
Die Analysefirma brandwatch hat mit Hilfe ihrer unternehmenseigenen Tools zum social listening vom 01. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2018 mehr als 250.000 deutschsprachige, öffentlich verfügbare Online-Beiträge zu den Themen Plastikverpackungen und Plastikmüll in Verbindung mit Lebensmitteln und der Nahrungsindustrie analysiert. Mithilfe geeigneter Keywords wurde ein Suchstring erarbeitet, welcher zeigt, wie unterschiedlich bestimmte Keywords in der Zeitentwicklung im Internet auftauchen. Die Google-Trends zeigen in der ersten Abbildung beispielsweise, wie sich der Begriff Plastikmüll im Internet in den vergangenen drei Jahren verändert hat.
Spannend sind bei diesen Beobachtungen vor allem die „Peaks“ und die Einbrüche, welche auf eine sehr starke mediale Präsenz (meist Anlassbezogen) und eine Flaute (meist kurz nach einem starken Peak) hinweisen. Im Beispiel der Abbildung 1 wird deutlich, dass das Thema insbesondere im Jahr 2018 durch verschiedene Geschehnisse beispielsweise erheblich an medialer Aufmerksamkeit und Wahrnehmung gewonnen hat. So wurden gegen Ende des Jahres 2018 sowohl Forderungen zur Einhaltung der Klimaziele durch Greta Thunberg und ihre initiierte Bewegung immer lauter, als auch durch die UN-Klimakonferenz in Katowice, die Müllinsel im Pazifik und das Erlassen des EU-Gesetzes zum Verbot von Einweg-Plastik. Dies führte dazu, dass im Jahr 2018 im Durchschnitt 340 Online-Beiträge pro Jahr zum Thema Plastikverpackung und Plastikmüll in Deutschland verfasst wurden.
Hashtags als Buzzword-Messer
Hashtags dominieren dabei vor allem die Social Media Kanäle. Twitter, Instagram und Facebook wären ohne Hashtag heutzutage nicht mehr das, was sie sind. So erlaubt das Rautezeichen, dass jedes Wort mit einem geringen Aufwand im sozialen Netz gesucht werden kann. Bei den Themen Plastiverpackungen und Plastikmüll dominieren die Hashtags #nachhaltigkeit, #zerowaste, #unverpackt und #kaffee. Letztgenannter Begriff vor allem deshalb, weil die Diskussion um Einwegkaffeebecher (coffee2go) das Netz seit längerem immer wieder begleitet. Spannend ist diese Betrachtung vor allem für Supermarktketten, wenn die Begriffe in Verbindung mit Lebensmittelverpackungen gesetzt werden.
Nach den Studienergebnissen von brandwatch liegt der Fokus hierbei vor allem auf Einweggetränkeverpackungen und der Verpackung von Obst und Gemüse. Der Share of Voice (Anteil der Nennungen in festgelegtem Suchrahmen) zeigt, welche Themen beim Nutzer in welcher Intensität auftauchen und diskutiert werden.
Gleichzeitig lässt eine Inhaltsanalyse bzw. Emotionsmessung der Nachrichten zu, dass ausgegeben werden kann, ob die Nachrichten zu den entsprechenden Kategorien positiver oder negativer Natur sind. Die Tonalität ist oftmals maßgeblicher, als die absolute Häufigkeit der Nennung eines Themas.
Auch beim Blick auf die Einzelhändler zeigt sich, dass Themen der „Lagerfeuer-Community“ immer häufiger aufgegriffen werden. Dies führt dazu, dass Einzelhändler immer häufiger die Themen für eigene Postings und die eigene Kommunikation verwenden. Darauf reagiert wiederum die Netzgemeinde und diskutiert Beiträge, kommentiert Bilder und nutzt Hashtags mit der konkreten Nennung von Supermarktketten.
Lagerfeuer-Themen für die Unternehmenskommunikation nutzbar machen
Der erste Blick auf das Beitragsvolumen zeigt, dass Rewe, Aldi und Lidl in der Kommunikation zum Thema Plastikverpackungen dominieren. Hierzu entstehen sehr viele Beiträge. Mit Blick auf die Tonalität wird jedoch deutlich, dass insbesondere Edeka sehr positiv wahrgenommen wird, auch wenn der prozentuale Anteil bei lediglich 14 Prozent liegt. Dies liegt an den vielfältigen Maßnahmen, welche Edeka in ihren Filialen testen lässt und einführt. Dies reicht von eigenen Mehrwegbehältern für Fleisch, Käse und Wurst bis zur Laser-Labelung von Gemüse, statt dieses in Plastiktüten zu verpacken. Auch Norma hat trotz nur 3 Prozent Anteil im Share of Voice fast durchgängig positive Gespräche im Wortkontext erzeugt, da sie zukünftig auf eine alternative Einkaufstüte aus biologisch abbaubarem Gras setzen wollen. Rewe hingegen fiel durch unauthentisches Handeln negativ in der Gunst der Nutzer auf.
Ableitung von Kommunikationsstrategien – wer weiß, über was gesprochen wird, der weiß, was er sagen soll
Was bedeutet das im Umkehrschluss für Unternehmen, welche in dem Bereich aktiv werden wollen bzw. vorbeugen wollen, dass negativ über sie gesprochen wird? Grundlegend dafür, dass Kommunikation bei Nutzern positive Reaktionen erzeugt, ist die Glaubwürdigkeit einer Aussage. Authentizität spielt hierbei wieder eine übergeordnete Rolle. Am Beispiel von Supermärkten kann jedoch mit Blick auf die Community recht gut gesehen werden, welche Themen funktionieren und welche nicht. Gerade in Bezug auf Plastikalternativen dominieren die Keywords unverpackt, Glas und Papier. Setzen Supermärkte verstärkt auf die Einführung von unverpackten bzw. alternativ verpackten Waren und passt sowohl das Produkt, als auch die Kommunikationsbotschaft zur dahinterstehenden Marke, kann ein Beitrag des Unternehmens dazu führen, die earned media positiv zu beeinflussen. Dies gelingt allerdings nur, wenn sich Unternehmen intensiv mit ihren Stakeholdern und Nutzerkreisen sowie aktuellen Entwicklungen in Politik und Gesellschaft auseinandersetzen und die richtigen Schlüsse für ihre eigene Kommunikation daraus ziehen. Die Gefahr von greenwashing darf hierbei nicht unterschätzt werden.
Die vollständigen Studienergebnisse erhalten Sie unter: https://www.brandwatch.com/de/reports/marktstudie-plastikverpackungen/view/
Alle Grafiken sind aus der Studie von brandwatch entnommen, die Eigentumsrechte liegen bei brandwatch.